Die uralte Kunst Fährten zu lesen, entstand aus einer Notwendigkeit heraus, Menschen mit Essen und Kleidung zu versorgen und half ihnen, eine spirituelle Verbindung zu ihrer Umgebung herzustellen und aufrecht zu halten.
Hunger und Selbsterhaltungstrieb brachten die ersten Spurenleser dazu selbst die kleinsten Hinweise von Tieren, Menschen, Insekten, dem Wind usw. wahrzunehmen und hoben dabei das Fährtenlesen auf eine Ebene, die weit über das reine Überleben hinausging.

Jäger- und Sammlerkulturen führten das Fährtenlesen zu einer Meisterschaft, die mit jedem Aspekt ihrer Kultur verwoben war. Sie waren stolz auf ihr außergewöhnliches Können und genossen die Herausforderungen, die die Natur für sie immer wieder bereithielt. Das erforderte eine ständige Benutzung beider Gehirnhälften, was zu einer vollen Ausschöpfung ihres gesamten sinnlichen Potenzials beitrug.

SOULGUARD Productions 02.Dezember 2020

Mit dem Verschwinden nativer Kulturen und der Ausbreitung der westlichen Zivilisation und Geisteshaltung ging eine Abstumpfung unserer Sinne einher, die kaum einer bemerkt, weil sie heute zur Regel und zur Norm geworden ist.

Um Natur wieder ganz, mit allen Sinnen erfahren und wahrnehmen zu können ist es erforderlich, diejenigen Konzepte und Dogmen, die zu unseren persönlichen Erfahrungen in der Natur im Gegensatz stehen, zu hinterfragen und loszulassen.

Die Absicht, Natur ohne Vorbehalte und offenen Herzens erfahren zu wollen, schafft eine Atmosphäre, in der Wahrnehmung, Empathie, Intelligenz, Spiritualität und die Verbindung zum Nichtsichtbaren gedeihen können.
In diesem Sinn ist ganzheitliches Spurenlesen ein sinnliches und spirituelles nach Hause kommen.

In Deutschland, vielleicht auch in Europa, war Fährtenkunde als solches ausgestorben. Beim grünen Abitur, der Ausbildung zum Jäger, kommt Spurenlesen nur rudimentär vor. Trotzdem gibt es einzelne Jäger, die speziell in Bezug auf das Rotwild ausgezeichnete Spurenleser geworden sind.

Grundsätzlich ist aber so gut wie kein Wissen mehr über Spuren und Fährten vorhanden. Als Polen Außengrenze der EU wurde, hat man Leute vom Stamm der Navajos angeheuert, um die polnischen Grenzbeamten in die Kunst des Fährtenlesens einzuweihen.

Lehrgang zur Dokumentation von Wolfshinweisen

Seit sich im Jahr 2000 der erste Wolf wieder in Deutschland niedergelassen hat, kamen von Seiten der Bevölkerung viele Meldungen an das LUPUS Institut für Wolfsmonitoring und -forschung in Deutschland, dass ein Wolf gesehen worden ist oder dass jemand eine Wolfsspur entdeckt und als solche identifiziert hat. Das LUPUS Institut führt im Auftrag des Landesamtes für Umwelt in Sachsen und in Südostbrandenburg das Wolfsmonitoring durch. Darüber hinaus leistet es im Rahmen der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) für andere Bundesländer fachliche Beratung zu Fragen von Wolfsmonitoring und Wolfsverhalten.

Da man Wölfe sowohl über das Aussehen als auch über die Fußabdrücke leicht mit Hunden verwechseln kann ergab sich die Notwendigkeit, Leute, die in Wolfsgegenden oder in potenziellen Wolfsgegenden wohnen und die auch von Berufs wegen oft draußen sind speziell zu schulen und zu trainieren.

Aus diesem Anlass haben wir zusammen mit LUPUS Institut ein Trainingsprogramm entwickelt und im Herbst 2005 wurde für Förster, Nationalpark Ranger, Naturwachtleute, Mitglieder vom NABU und Angestellte von Naturschutzbehörden, der erste „Fachlehrgang zur Dokumentation von Wolfshinweisen“ durchgeführt. Inzwischen sind andere Bundesländer diesem Beispiel gefolgt und schicken ihre Leute auch zu unseren Lehrgängen.

Das LUPUS Institut war maßgeblich an der Entwicklung der bundesweit einheitlichen Standards für das Monitoring von Großraubtieren beteiligt und hat an dieser Stelle dafür gesorgt, dass die Qualifikation von Fährtenlesern Teil dieser Standards ist.

Fährtenlesen im Staatsdienst

Als im Spätherbst 2007 ein Wolf geschossen wurde, konnten wir mit einem Gutachten für die Kriminalpolizei über die Gangart des Tieres zur Erhellung der Vorgänge beitragen und wurden in diesem Zusammenhang auch gebeten, als Sachverständige vor Gericht auszusagen.

Das Interesse an der Kunst Spuren zu lesen scheint in letzter Zeit wieder zu zunehmen. Immer mehr Leute verfallen der Faszination Spuren zu erkennen, Spuren zu folgen und so immer mehr über diejenigen, die diese Spuren hinterlassen haben, zu erfahren.

Verschiedene junge Leute haben sich auch wissenschaftlich damit befasst. Einige Ergebnisse davon finden sie unter Medien auf dieser Internetseite. Die Wissenschaft scheint sich auch darüber einig zu sein, dass unsere Fähigkeit zu lesen sich direkt auf die Fähigkeit des Spurenlesens zurückführen lässt.

Ist es nun so, dass wir uns vom Spurenlesen weiter entwickelt haben bis wir Bücher lesen konnten oder ist es so, dass wir früher aberhunderte von Zeichen in der Natur lesen konnten und uns jetzt auf das Lesen von Schrift reduziert haben?

Wie auch immer man das sehen will, Spuren lesen verbindet uns mit den Geschöpfen, die diese Spuren hinterlassen. Je besser wir die Hinweise lesen können, desto tiefer wird die Verbindung, desto tiefer das Verstehen. Dabei entdecken wir ein ganzes Netz von Verbindungen und verstehen, wie eins ins andere greift. So verbindet uns Spurenlesen wieder mit der uns umgebenden Natur und mit der Natur in uns selbst.